Ein besonderer Ort: Der Wertstoffhof von Biebertal

Treffpunkt – Wärmestube – Wegwerfmuseum – in der Kehlbachstraße

Es war ganz schön was los am Samstagvormittag. Gewöhnlich um die 60, aber auch schon über 100 Autos kommen in den drei Stunden, in denen geöffnet ist, um einen Kofferraum voll abzuladen, sagt Herr Pichl. Herr Pichl begann 1981 seine Arbeit bei der Gemeinde Biebertal. Er ist gelernter Schlosser. Inzwischen schon lange Zeit in Rente, hat er vor zehn Jahren die Betreuung des Wertstoffhofes übernommen. Das macht ihm Freude, auch weil er dadurch mit vielen Menschen in Kontakt kommt. Einige sind regelmäßig da. Bei der Gemeinde angestellte Mitarbeiter sind sie nicht, aber sie kommen zum Reden und machen sich nützlich. Derjenige, der gerade einen PC auseinanderschraubt und in seine Einzelteile zerlegt, war früher ein selbständiger Apotheker. Sein Nachbar sagt, zu Hause würden sie den Ehefrauen auf die Nerven fallen. Es ist gemütlich warm in dem kleinen Haus, das Werkstatt und Sammelraum in einem ist. Ein mitbewohnender Marder aus dem Dach lässt ab und zu ein paar Knöchelchen auf den Boden fallen. Momentan liegt eine Taubenfeder unten.

Ich frage nach den Anlieferungen. Herr Pichl sagt, grundsätzlich nehmen sie nur solche Dinge, die in irgendeiner Form wiederverwertbar sind. Alles andere muss auch weiterhin in die Lahnstraße Gießen gefahren werden. Wegen des begrenzten Platzes werden auch nur kleine Teile angenommen. Elektrogeräte dürfen nicht größer als ein Toaster sein. An erster Stelle der angelieferten Dinge steht Grünschnitt und zwar ganzjährig. Die erlaubten Schnittzeiten werden offenbar wenig berücksichtigt. Dann folgen Bretter aus dem Innenbereich. Kurze Neonröhren werden auch genommen. Drinnen stehen Eimer für Energiesparlampen und CDs und ein kleiner Behälter für echte Korken. Mir fällt sofort das Waffeleisen auf dem Ofen auf. Es ist so alt, dass man es nur auf einem Kohleherd mit Ringen benutzen kann. Auch das schöne Bügeleisen ist von offenem Feuer mit glühenden Kohlen abhängig. Es gibt ein großes Radio aus den 1950er Jahren und eine Musiktruhe, die aus Herrn Pichls eignem Haushalt stammt. Ihm sind viele Dinge zum Wegwerfen einfach zu schade. So entwickelt sich hier ein kleines „Anti-Wegwerf-Museum“. Ein Hingucker sind auch die beiden roten Autos.

Es ist eine gute Stimmung in der Werkstatt. Der ehemalige Apotheker meint, für seine Altersgruppe gäbe es ja auch sonst nichts in Biebertal. Ich stutze einen Moment und überlege. Es gibt eigentlich nur die Seniorenwerkstatt – die nicht jedermanns Sache ist. Ansonsten sind die vielen Angebote für Ältere mehr für diejenigen, die beschäftigt werden müssen oder Hilfe brauchen.

Draußen an der Hauswand steht ein großer Schrank für noch Verwertbares. Da der Wertstoffhof unter Aufsicht steht, wird hier auch kein Chaos

Draußen an der Hauswand steht ein großer Schrank für noch Verwertbares. Da der Wertstoffhof unter Aufsicht steht, wird hier auch kein Chaos angerichtet (wie früher in dem Regal bei der Evangelischen Gemeinschaft im Bornweg 7). Die Dame, die ich am Regal treffe, lobt das Konzept. Ihre Bücher nimmt sie immer zum Verschenkregal bei IKEA mit.

Man munkelt von Plänen, das Haus wegen des Marders und des dadurch verursachten Dachschadens abzureißen und einen Container aufzustellen. Heißt das nicht, das Kind mit dem Bade auszuschütten? Der Wertstoffhof hat so viele positive Elemente, die man nicht einfach ausradieren sollte!

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